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Spuren der Vergänglichkeit

Spuren der Vergänglichkeit

Foto-Collagen auf Metall

Die Foto-Collagen von Gerda Zuleger-Mertens

Thema jeder gestalterischen Arbeit ist im Grunde die Realität, das Wahrgenommene, das wir als solche bezeichnen. Das gilt gleichermaßen für die sogenannte gegenständliche wie auch für die sogenannte abstrakte Kunst, beides Begriffe, die sinnentstellend sind.

Farbe und Form können durch das äußere Abbild Realität darstellen, abbilden, zuordnen, koordinieren und illustrieren, sie können aber auch mittels ihres Ausdrucks-Eigenwertes eine eigene und selbständige Realität ohne Abbildhaftigkeit aus ihrem eigenen Vermögen herstellen. Auch hier geht es also um „Realität“, denn diese entsteht immer nur durch und in unserer Wahrnehmung, auch wenn sie nicht hinterfragbar ist.

Gerda Zuleger-Mertens verwendet nicht die eine oder die andere Methode, sondern sie kombiniert beide auf einem Bild und gelangt dadurch zu ungewohnten, sehr persönlichen und ausdrucksstarken Definitionen, die den Wirkungsgrad und den Aussagegehalt steigern und im Sinne des Ausdrucks erheblich erweitern. Sie verwendet dazu Fotografien, die durch eine spezielle Transformationstechnik auf das Bild bzw. den Bildgrund – fast immer eine dünne Metallplatte-übertragen werden, wodurch eine „Verschmelzung“ mit diesem eintritt, d.h. es fällt das Aufkleben und damit eine Höhendifferenz der klassischen Collage weg, was das Motiv bildimmanent macht. Mit Acrylfarbe wird das Bild nun weiterbearbeitet. Zwei unterschiedliche Möglichkeiten sind anzutreffen: entweder bildet das fotografische Element das ganze Bild, oder dieses wird als kleineres Teilstück (oder Teilstücke) in das sonst ungegenständliche Bild eingefügt, sozusagen als Versatzstücke der abbildhaften Wirklichkeit, die durch die dann erfolgende Übermalung eine Erweiterung der Informationsmöglichkeit bekommt, eine Präzisierung, eine Interpretation der Künstlerin, auf eine individuelle Deutung dessen, was objektiv Realität genannt wird. Letztlich auf eine Erweiterung dieser, um den Wahrheitsgehalt zu erhöhen.

Denn „Wahrnehmen“ heißt „für wahr nehmen“, ob es das ist, ist ungewiß. Die Metallplatte als Untergrund spielt dabei eine wesentliche Rolle, sie erlöst das Bild aus dem Zustand des Ungefähren, sie verstärkt den Grad der Realität und wird auch teilweise in das Bildgeschehen einbezogen, dergestalt, dass Gerda Zuleger auf kleineren oder größeren Flächen des Bildes die Metall-Platte freischleift und nun zu dem Kontrast der abbildhaften Foto-Collage gegenüber den gemalten Partien ein weiterer, materialhafter Kontrast die Dinglichkeit des Metalls als Realität ins Spiel bringt und damit als neutrale Instanz das Aufkammer emotionaler, nicht realitätsbezogener Aspekte verringert.

Gerda Zuleger spielt ein verwirrendes Spiel der Realitäten, deren keine alleine die Wahrheit ist, sondern erst im Zusammenspiel der verschiedenen Ebenen vielleicht der absoluten etwas näher kommt.

Das Einbeziehen auch des Scheiterns, der Ungewissheit des Gelingens gibt ihren Bildern einen melancholischen Reiz, welcher der Tristesse ihrer Themen – aufgelassene Fabriken, Ruinen militärischer Anlagen oder ganzer Stadtviertel – genau entspricht.

Prof. Dieter Crumbiegel